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Novelle des Führerscheingesetzes und der Straßenverkehrsordnung

Stellungnahme des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK) zum BG, mit dem das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden

Referent: VP Dr. Eric Heinke, Rechtsanwalt in Wien

I. Allgemeine Bemerkungen

Das grundsätzliche Vorhaben der Österreichischen Bundesregierung, die Sanktionen bei Geschwindigkeitsübertretungen in höherem Ausmaß zu verschärfen, ist, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass „Raserei“ auf Österreichs Straßen zunehmend zum Problem wird und allem voran die Teilnahme an „illegalen Straßenrennen“ zunimmt, zu befürworten.

Dabei hat die Zahl illegaler Straßenrennen nicht nur seit Beginn der Corona-Pandemie zugenommen, sondern war bereits davor ein deutlicher Anstieg erkennbar.

Aus diesem gegebenen Anlass hat sich der Bundesgesetzgeber nun entschlossen, in diesen Fällen härter durchzugreifen. Die Folge sind Anhebungen der Geldstrafen sowie der Entzugszeiten für Lenkberechtigungen insbesondere bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, die Verdopplung des Beobachtungszeitraumes für Erstdelikte sowie verpflichtende Nachschulungen und verkehrspsychologische Untersuchungen bei besonders gefährlichen Verhältnissen.

Dabei ist Ziel dieser Verschärfungen, dass sie abschreckend auf die Lenker wirken.

II. Zu den Regelungen im Einzelnen 

A) Besonders gefährliche Verhältnisse

Die in Artikel 1 vorgesehenen Änderungen in § 7 Abs 3 Z 3 FSG sind insgesamt zu befürworten. Dabei werden die Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeiten im und außerhalb des Ortsgebietes verschärft: Innerhalb des Ortsgebietes gilt eine Geschwindigkeitsübertretung von mehr als 80 km/h (früher: 90 km/h) und außerhalb des Ortsgebietes von mehr als 90 km/h (früher 100 km/h) als „Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen“

Ziel des Entwurfs ist es, die sich häufenden exorbitanten Geschwindigkeitsüberschreitungen durch abschreckende Maßnahmen in den Griff zu bekommen.

Auch die neu eingefügte Bestimmung, wonach die „Teilnahme an illegalen Straßenrennen“ als ein „Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen“ zu qualifizieren ist, ist unter Berücksichtigung der immer steigenden Zahlen solcher Straßenrennen zu befürworten und eine diesbezügliche Regelung schon überfällig gewesen.

Problematisch erscheint hier einzig, dass sich im Gesetz keine (Legal-)Definition findet, was unter einem „illegalen Straßenrennen“ zu verstehen ist.

Unter Berücksichtigung von § 64 StVO, der sportliche Veranstaltungen wie insbesondere „Wettfahren“ regelt, ist eine Bewilligung der Behörde erforderlich, wenn das Rennen auf einer öffentlichen Straße stattfinden soll. Ein „illegales“ Straßenrennen liegt demnach vor, wenn eine solche Bewilligung der Behörde nicht eingeholt wurde. Ein solcher Verweis findet sich allerdings im neu gefassten § 7 Abs 3 Z 3 FSG nicht und wäre wohl zumindest aufzunehmen.

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, welche weiteren Voraussetzungen für den Tatbestand des „illegalen Straßenrennens“ erfüllt sein müssen, wie etwa:

  • Gibt es eine Mindestanzahl an Beteiligten?
  • Fallen nur „geplante“ Straßenrennen unter den Tatbestand oder was ist mit spontanen, sich aus der Situation ergebenden Wettrennen?
  • Liegen illegale Straßenrennen auch vor, wenn es zu keinen Geschwindigkeitsübertretungen (oder generell keinen Übertretungen der StVO bzw des FSG) kommt?
  • Wie ist mit weiteren äußeren Umständen umzugehen (zB Straßenrennen bei Tag/bei Nacht; Straßenrennen in dicht besiedelten Gebieten/am Land etc)?

Es wäre außerdem überlegenswert, ob nicht zusätzlich zu einer Regelung im FSG ein eigener Tatbestand im StGB – zB nach deutschem Vorbild (vgl hierzu § 315d dStGB) – zielführend wäre. Nach derzeitiger Rechtslage bildet sich die strafrechtliche Verfolgung in Österreich nämlich wie folgt ab:

In erster Linie können die Delikte der Gefährdung der körperlichen Sicherheit (§ 89 StGB) oder der Gemeingefährdung (§§ 176, 177 StGB) verwirklicht sein.

Wird eine andere Person verletzt oder getötet, so kommen nach derzeitiger Rechtslage die Delikte der (grob) fahrlässigen (schweren) Körperverletzung (§ 88 StGB), fahrlässigen (§ 80 StGB) oder grob fahrlässigen Tötung (§ 81 StGB) in Betracht.

Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass die Zahl illegaler Straßenrennen und die damit einhergehende Gefährdung von Leib und Leben zunimmt, stellt sich die Frage, ob nicht die Einführung eines eigenen Straftatbestandes (oder zumindest einer Qualifikation) zielführend wäre.

B) Nachschulung

In § 24 Abs 3 Z 1a FSG ist nach dem Entwurf die Anordnung einer Nachschulung vorgesehen, wenn es zu einer Übertretung nach § 7 Abs 3 Z 3 FSG gekommen ist. Dabei sind wieder die neu eingefügten unter Punkt A) diskutierten „besonders gefährlichen Verhältnisse“ relevant.

Nach Z 2 soll eine Nachschulung nun angeordnet werden, wenn es zu einer zweiten Übertretung nach § 7 Abs 3 Z 4 FSG (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h und Feststellung dieser Überschreitung durch ein technisches Hilfsmittel) innerhalb von vier Jahren (statt wie bisher zwei Jahren) kommt.

Auch die erweiterte Anordnung von Nachschulungen zielt zweifelsfrei darauf ab, bei den Lenkern für Abschreckung zu sorgen und so einen Rückgang der vermehrten Geschwindigkeitsüberschreitungen zu erreichen.

Unter diesem Gesichtspunkt erscheinen die Verschärfungen als adäquates Mittel und zielführend, da nur durch vermehrte Sanktionierungen eine entsprechende Handlungsweise beim Lenker erzielt werden kann.

C) Erstdelikt

Nach derzeitiger Rechtslage wird ein erneutes gleichartiges Delikt nach Ablauf von zwei Jahren als Erstdelikt sanktioniert (§ 24 Abs 3 Z 2 FSG).

Durch die im Entwurf vorgesehene Änderung soll der Beobachtungszeitraum auf vier Jahre erweitert werden: Demnach ist ein erneutes gleichartiges Delikt erst nach Ablauf von vier Jahren (statt wie bisher zwei Jahren) als Erstdelikt zu qualifizieren (§ 24 Abs 3 Z 2 FSG und § 26 Abs 3 2. und 3. Satz FSG). Die mit der Behandlung als Erstdelikt einhergehenden Vorteile, wie insbesondere weniger strenge Sanktionen, gelten daher erst nach Ablauf von vier Jahren.

Die Erweiterung des Beobachtungszeitraums scheint ein adäquates Mittel zu sein, um „Wiederholungstäter“ abzuschrecken.

D) Verkehrspsychologische Untersuchung

Im Entwurf sieht der Bundesgesetzgeber in § 24 Abs 3 5. Satz FSG vor, dass zusätzlich zu einer Nachschulung auch ein amtsärztliches Gutachten samt verkehrspsychologischer Stellungnahme beizubringen ist.

Dies ist zu befürworten, da eine Nachschulung alleine keine Rückschlüsse auf die Bereitschaft des Lenkers zur Besserung zulässt.

Bei Übertretungen nach § 7 Abs 3 Z 3 FSG kann sich die verkehrspsychologische Untersuchung auf die Feststellung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung beschränken. In diesen Fällen ist sohin keine volle verkehrspsychologische Untersuchung erforderlich, sie kann aber selbstverständlich im Einzelfall angeordnet werden.

Eine Einzelfallbetrachtung erscheint jedenfalls zweckmäßig und zweckdienlich.

E) Entziehung der Lenkberechtigung

In § 26 Abs 3 Z 1 bis 3 und Abs 3 2. Satz FSG neu wird die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung bei Geschwindigkeitsübertretungen auf mindestens ein Monat (statt wie bisher zwei Wochen) und mindestens drei Monate (statt wie bisher sechs Wochen) erhöht.

Der längere Entzug der Lenkberechtigung erscheint ein taugliches Mittel zur Abschreckung vor Übertretungen der StVO und des FSG zu sein.

F) Geldstrafe

Die in § 99 StVO neu geregelten Geldstrafen werden erheblich angehoben, sodass die Mindeststrafe nun EUR 150,00 bzw. EUR 300,00 und die Höchststrafe EUR 5.000,00 betragen soll.

Nachdem die Delikte wegen überhöhter Geschwindigkeit immer mehr zunehmen, soll die Anhebung der Geldstrafen für mehr Abschreckung bei den Lenkern sorgen und so ein gesetzeskonformes Verhalten erreicht werden. Die Anhebung der Strafen erscheint damit durchaus zielführend.

Die Referentenausarbeitung im Rahmen der Gesetzesbegutachtung zur Novelle des Führerscheingesetzes und der Straßenverkehrsordnung von Dr. Eric HEINKE kann hier eingesehen werden.

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