Am heutigen Faschings- oder Rosenmontag begegnen uns traditionsgemäß viele verkleidete Narren. Der Narr war von jeher jemand, der als Spaßmacher am Hofe für Belustigung und Unterhaltung sorgen sollte. Dabei galt für ihn die Narrenfreiheit: Ohne an gesellschaftliche Normen oder Konvention gebunden zu sein, konnte er ungestraft Kritik üben, Missstände anprangern oder die Herrschaft parodieren, weil er aufgrund seiner Narrheit nicht ernst genommen wurde.
In der (politischen) Satire und Karikatur gilt dies als Freiheit der Kunst bis heute fort. Die freie Meinungsäußerung für jedermann ist seit der französischen Revolution 1789 zu einem fundamentalen Bürgerrecht geworden. Die Meinungsfreiheit ist ein durch unsere Verfassung gewährleistetes subjektives Recht und auch in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert: Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Sie ermöglicht es auch dem Rechtsanwalt alles, was nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet wird, unumwunden vorzubringen (§ 9 RAO).
Freilich hat diese Freiheit auch ihre Grenzen: Diskriminierende Äußerungen über Hautfarbe, Herkunft, Alter, Geschlecht, Behinderung, sexuelle Orientierung, Religion oder Sprache einer Person sind für jedermann ebenso verboten, wie jemanden öffentlich zu beleidigen oder wissentlich falsche Angaben über andere zu machen, auch als Fake-News im Internet. Denn Meinungsfreiheit (oder Freiheit der Kunst) – und dafür tritt die Rechtsanwaltschaft zur Wahrung der individuellen Bürgerrechte immer vehement ein – ist nicht Narrenfreiheit!
Zum Originalartikel aus dem Rechtspanorama der Tageszeitung DIE PRESSE vom 24.02.2020